Von unterschiedlicher Art sind die sogenannten Künstlerstammbücher. Im engeren Wortsinn bezeichnen sie die Alben, deren erster Besitzer selbst ein bildender Künstler ist. Sie wurden von ihm meist während seiner Ausbildungszeit angelegt, als er zunächst bei einem bereits anerkannten, etablierten Vertreter seines Fachs lernte oder – wie es in späteren Jahren üblich wurde – eine Akademie oder Kunsthochschule besuchte. In ihnen schrieben oder zeichneten sich seine Mit-Lehrlinge und Gesellen der ausbildenden Werkstatt oder die Kommilitonen seiner Studienjahrgänge ein. So bildeten sie seine Parallele zu dem Aufbau des Netzwerkes in den Studentenstammbüchern.

Eine besondere Bedeutung gewannen diese Stammbücher dann durch die sich üblicherweise an die Ausbildung anschließende, oft viele Monate oder Jahre dauernde Wanderzeit, in der die jungen Künstler ihre Kenntnisse und Fähigkeiten durch Besuche und längere Aufenthalte bei berühmten Meistern vertieften, die sich ihrerseits durch Wort- und Bildbeiträge in das Stammbuch eintrugen. Hiermit übernahmen die Künstlerstammbücher charakteristische Elemente der für die Handwerksgesellen zunftgemäß vorgeschriebenen Wanderbücher. Auch auf späteren Reisen wurden die Stammbücher zu Begleitern der Künstler, die damit neue Kontakte und Impulse festhielten. Das Stammbuch erhielt dann zugleich oft die Funktionen eines Skizzen- oder Tagebuches.

Umgekehrt trugen sich auch die Reisenden ihrerseits in die Stammbücher der von ihnen besuchten ortsansässigen Kollegen ein, so dass die Stammbücher sich damit der Gattung der Gästebücher näherten, wie es auch für die Stammbücher der Kunstsammler und -liebhaber typisch wurde, die auf ihren Reisen ebenso wie an ihrem Wohnort verehrte und befreundete oder von ihnen mäzenatisch betreute Künstler um Beiträge in ihren Alben baten.