Hinweise auf zeitgenössische politische Ereignisse, die in die Annalen der Geschichtsschreibung eingegangen sind, finden sich in den Stammbüchern sehr selten, wie auch persönlich belastende Situationen der Einträger wie der Adressaten kaum der Erwähnung wert erscheinen.

Inhaltlich sind die Stammbücher ihrem Zweck entsprechend den erfreulichen Aspekten des Lebens gewidmet – der Freundschaft, der effizienten dauerhaften Kontakte, der guten Wünsche für das Wohlergehen des Anderen, der Bestätigung der gleichen Gesinnung. Alles Negative wird weithin ausgeblendet. Private Notlagen werden nicht thematisiert oder werden, wenn eine Andeutung sich gar nicht vermeiden lässt, durch allgemeine Trostsprüche beantwortet, für die zumeist Zitate aus einschlägiger religiöser und säkularer Literatur herangezogen werden.

Einige Eintragungen lassen jedoch spüren, dass sich die Schreiber doch der derzeitigen allgemeinen Probleme und Auseinandersetzungen aller Art durchaus bewusst waren und sie mit ihren eigenen Empfindungen durchlebt haben. So erwiesen sich die Vertreter der geistlichen Stände im 16. und 17. Jahrhundert als wahre Verfechter der damals herrschenden Kontroverstheologie und prangerten ihre Gegner über das Medium des Stammbuches im Meinungsaustausch mit allen verbalen Mitteln, demonstrativ-lehrhaft bis aggressiv-satirisch, heftig an.

Die Zeit der napoleonischen Kriege und Besatzungen fand auch in den friedfertigsten Alben ihr Echo in den Anspielungen auf die Nöte und Ängste der Bevölkerung ebenso wie in den pathetischen Parolen der Befreiungskämpfe. Ein Lazarettaufenthalt während des Ersten Weltkrieges spiegelte dann in Stammbucheinträgen durch den schroffen Gegensatz von Fronterlebnissen und idyllischer Ruhe die bei den auf Genesung hoffenden Soldaten ausgelöste Reflexion über menschliche Grenzsituationen wider.

Neben diesen erschütternden Texten stehen jedoch wiederum die für das Stammbuch sonst charakteristischen freundlichen, die positiven Seiten des Daseins heraufbeschwörenden Gedanken.