Schon seit dem späten 16. Jahrhundert wurde das Autographensammeln gerade in Gelehrtenkreisen zu einer beliebten Sammelleidenschaft. Dazu wurden Widmungen und Einträge berühmter Männer aus Büchern und Alben herausgeschnitten und in neuer Ordnung, meist alphabetisch und nach Ständen (ähnlich den zu der Zeit ebenfalls beliebten Porträtsammlungen) systematisiert, in eigens dazu angelegten Autographenalben eingeklebt. Stammbücher interessierten hier in erster Linie als personen- und bildungsgeschichtliche Überlieferungsträger und wurden so zu begehrten Sammelobjekten.

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Johannes Christoph Wolf; Kupferstich von Christian Fritsch nach Vorlage von Johann Georg Wahl (SUB, Portrait 23: W 73)

Das Autographensammeln erreichte seinen Höhepunkt im 18. Jahrhundert. Umfangreiche Kollektionen von Einzelblättern und Alben entstanden bei privaten Sammlern und Liebhabern. In Hamburg gehörten Michael Richey (1678–1761), Professor am Akademischen Gymnasium , sowie die Brüder Wolf – Johann Christoph (1683–1739), Hauptpastor an St. Katharinen und Orientalist, und Johann Christian (1689–1770), Professor am Johanneum und später Bibliothekar der damaligen Stadtbibliothek – zu den eifrigsten Sammlern. Letztere hatten auch die berühmte Autographen- und Briefsammlung des Frankfurter Patriziers und Universalgelehrten Zacharias Konrad von Uffenbach (1683–1734) übernommen und weitergeführt. Die 25.000 Bände umfassende Bibliothek Wolf kam 1767 als Geschenk an die Hamburger Stadtbibliothek.

Uffenbach stellte bereits den Wissenschaftlern seiner Zeit seine reichhaltige Bibliothek ad publicos usus zur Verfügung und sammelte 846 Autographen seiner Besucher ebenfalls in drei umfangreichen Stammbüchern (1711– 1733), die wir heute eher Gästebücher nennen würden. Er selbst umschrieb sein Interesse an Autographen sehr knapp mit den Worten: „…um die Hände und Autographa gelehrter Leute kennen zu lernen.“

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Kolorierte Kupferstichkartusche zu Beginn des dritten Uffenbach-Stammbuchs 1722-1733 (SUB Cod. in scrinio 65)

Allerdings beklagte Uffenbach auch, dass Stammbücher mit Einträgen rechtschaffener und gelehrter Männer immer seltener würden. Er machte dafür zum einen die Bettelei der Studenten um einen zusätzlichen Obolus zum Eintrag verantwortlich, zum anderen, „daß die jungen Pursche auf Universitäten von ihren Commilitonibus in dergleichen viele Zoten und Sau-Possen nicht allein schreiben, sondern auch gar hinein malen oder klecken lassen, da sich ehrliche und rechtschaffene Männer billig gescheuet, ihre Namen hinzu setzen.“
Einen Aufschwung nahm die Stammbuchpraxis wieder mit der in der Epoche der Aufklärung aufkommenden Literaturströmung des Sturm und Drang und sollte bis in das 19. Jahrhundert hinein noch einmal aufleben. Ein fleißiger Autographensammler und wahrer Stammbuch-Fan war zum Beispiel auch Johann Wolfgang von Goethe.