Die Bibliothek der Hansestadt Hamburg (heute: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky) wurde in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 bei der "Operation Gomorrha", einer großangelegten Serie von Luftangriffen der Alliierten auf Hamburg, fast vollständig zerstört. Dabei verbrannten von ihren 850.000 Büchern ungefähr 700.000. Anlässlich des sechzigsten Jahrestages erinnert die Bibliothek an die damaligen Geschehnisse, das Gebäude am Speersort und an die verbrannten oder verloren gegangenen, teilweise auch wieder zurückgekehrten Bestände.

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Saalbibliothek um 1905

Die Ausstellung beschränkt sich bewusst auf die Operation Gomorrha und das Schicksal der Bestände der Staatsbibliothek als Folge der Zerstörung von 1943. Für die Debatte um Täter- und Opferperspektiven beim Bombenkrieg (die jüngst anlässlich des Buches „Der Brand“ von Jörg Friedrich entstanden und angesichts der Verbrechen des Dritten Reiches auch nur zu berechtigt ist), sei auf die Vitrine mit den „Neuerscheinungen“ hingewiesen. Diese Debatte ist hier nicht unser Thema. Dennoch muss die Ausstellung vor dem Hintergrund der menschenverachtenden und mörderischen Politik des nationalsozialistischen Deutschland gesehen werden.

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Nur eine Wand blieb von der Staatsbibliothek nach "Operation Gomorrha"

Die Ausstellung gibt Einblick in den Bibliotheksbetrieb am Speersort mit der damals dort herrschende Enge. Sie zeigt die verschiedenen Luftschutzbestimmungen seit 1935 als Teil der Vorbereitungen auf den Luftkrieg und dokumentiert die Auslagerung von Büchern. Ein Teil der wertvollen Bibliotheksbestände wurde seit Herbst 1942 in entlegene Gebiete Sachsens gebracht, um wenigstens sie vor den Folgen der Luftangriffe auf Hamburg zu bewahren.  Anhand von Fotos und Augenzeugenberichten wird das Ausmaß der Zerstörung durch die Operation Gomorrha deutlich. Ergänzt wird die Schadensbilanz durch Berichte über Art und Größe der Verluste und durch die Beschreibung des Schicksals einiger besonders wertvoller Stücke. Weiter dokumentiert die Ausstellung den Neuaufbau des Bestandes, der bereits im September 1943 begann. Nach der Zerstörung des zunächst erhalten gebliebenen Westflügels im Juni 1944 wurde die Bibliothek vom Speersort nach Wandsbek verlegt und zog im Herbst 1945 in das ehemalige Wilhelm-Gymnasium in der Moorweidenstraße, unserem heutigen Altbau, ein.

Im letzten Teil der Ausstellung geht es um die Rückführung der ausgelagerten Bücher. Die ersten wurden unter dramatischen Umständen bereits vor Kriegsende nach Hamburg gebracht, andere in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Ein Teil der Bestände, die von der Roten Armee in die Sowjetunion transportiert worden waren, kam schließlich seit Ende der achtziger Jahre aus Russland (1989-1991), Georgien (1996) und Armenien (1998) zurück.

Das verwüstete Gebäude am Speersort und seine unwiederbringlich verlorenen Schätze ordnen sich ein in eine lange Kette der Zerstörung von Bibliotheken (s. Stellwand "Memento"), die - unabhängig von der Frage nach Verantwortung und Schuld in einem Unrechtsstaat - immer auch eine Verstümmelung des kulturellen Gedächtnisses bedeutet und die sich auch im 21. Jahrhundert fortzusetzen droht.