Als erste „Rückkehrer“ der Bibliothek brachte man im Juni 1944 Bücher in das Ausweichquartier (in der Ahrensburger Straße), die nach dem zweiten Bombenangriff (18.6.1944) aus den Trümmern zusammengesucht oder in verschiedenen Bunkerräumen zwischengelagert worden waren. Eigentlich sind mit „Rückführungen“ aber die Bemühungen um einen Rücktransport der außerhalb von Hamburg untergebrachten Auslagerungen gemeint. Bis heute befindet sich ein Teil dieser Bestände in russischen Bibliotheken.

  • (1) Die erste Rückführung folgte unmittelbar der letzten Auslagerung ins Salzbergwerk Grasleben: Von Helmstedt aus fuhr am 22. Februar 1945 der beauftragte Mitarbeiter nach Dresden, um angesichts der nahenden russischen Front den Rücktransport wenigstens einer der dortigen Auslagerungen zustande zu bringen. Eine Woche nach dem fatalen Angriff auf die von Flüchtlingen überfüllte sächsische Hauptstadt traf er dort ein. Es bleibt unfassbar, dass es ihm unter solchen Umständen gelang, die in Weissig liegenden 117 Kisten (vormals Auslagerungen ‘Hasselbrook’ und ‘Vorsetzen’) nach Riesa/Elbe und von dort mit dem Elbschiff ‘Rhenus’ nach Hamburg auf den Weg zu bringen.
  • (2) Die nächsten Rückführungen aus Hamburger Bunkern und aus Grasleben fanden statt mit Unterstützung der englischen Besatzungsbehörden. Diese hatten ein Interesse daran, die Bibliothek schnellstens wieder funktionsfähig werden zu lassen. Am 8. Dezember 1945 konnte der Direktor lapidar den Empfang von 370 Kisten und 8 Kubikmetern loser Bücher aus Grasleben bestätigen.
  • (3) Mehr als schwierig hingegen und schließlich aussichtslos war die Suche nach den beiden anderen ostdeutschen Auslagerungen. Berichte aus Lauenstein und Hermsdorf sprachen von wiederholten Plünderungen und von Besuchen sowjetischer Offiziere. Ein Beamter des Hamburger Völkerkundemuseums, der in Sachen Restitution mehrfach nach Dresden und Ost-Berlin reiste, blieb am Ende erfolglos. Immerhin erfuhr er, dass die Lauensteiner Auslagerung in die Sowjetunion verbracht worden sei und dass die nach Hermsdorf ausgelagerten Kisten der Bibliothek (mitsamt der Bibliothek der Jüdischen Gemeinde) von den Behörden der Sowjetischen Besatzungszone übernommen worden seien.
  • (4) Dieser Bestand, die „Auslagerung Hermsdorf“, verdankt seine Rückführung nach Hamburg den Bemühungen der Jüdischen Gemeinden in Dresden und Hamburg um Restitution ihrer, d.h. der Hamburger Gemeinde-Bibliothek (die von der Gestapo 1943 an die Bibliothek der Hansestadt übergeben und mit deren Beständen nach Weissig und Hermsdorf ausgelagert worden war). Sie gehörte zu dem westdeutschen Kulturgut, das nur im Tausch gegen den Bestand „Preußischer Kulturbesitz“ restituiert werden sollte. Wie es den jüdischen Gemeinden gelang, die verhärteten Fronten für einen Moment zu öffnen, bleibt unbekannt. Im September 1957 kam der größte Teil der Jüdischen Bibliothek zur Gemeinde nach Hamburg zurück, und mit ihm der Rest-Inhalt der 69 Kisten, die die SUB 1944 in Hermsdorf ausgelagert hatte.
  • (5) Die bisher letzten, größten und wertvollsten Rückführungen fielen in die Zeit des Zerfalls der Sowjet-Union. Der gesamte, in 287 Kisten verpackte, in Lauenstein liegende Bestand war als ‘Trophäengut’ 1946 nach Leningrad verbracht und von dort aus auf eine Reihe sowjetischer Bibliotheken und Archive verteilt worden.

Zwischen 1989 und 1991 sind hiervon drei Teilbestände zurückgekehrt, darunter (1991) der größte Teil der 1943 ausgelagerten Musikhandschriften aus St. Petersburg.

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Das Gebäude des musikwissenschaftlichen Instituts in Leningrad

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Blick in das Inkunabelmagazin der St. Petersburger Nationalbibliothek

1994 und 1995 konnte ein Mitarbeiter der SUB auf Informationsreisen in mehrere russische Bibliotheken nach weiteren Auslagerungsbeständen suchen; dabei stellte sich u.a. heraus, dass sich der größte Teil der Wiegendrucke der SUB heute im Inkunabel-Magazin der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg befindet.

Weitere Teile der Auslagerung Lauenstein wurden 1996 von Georgien und 1998 von Armenien zurückgegeben.